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73. Ja hr gang • Nr . 4 Samstag, 27. Ja nuar 2018 . Mit Handy in den Schnee: Auch auf die Skipiste muss das Smartphone mit, was in mancher Hinsicht nützlich ist, aber auch Gefahr en bir gt. Seite 6 Früchtchen mit Sex-Appeal: Zitr onen und Orangen kennt jeder . Aber Zi- tr onatzitr one, Pomeranze oder Ber gamotte? Haben wir für Sie „Aufgegabelt!“. Seite 5 Kind sein, an einem ve rr egneten Nac h- mittag in den 70er Ja hr en – das ist der Stof f, aus dem die Langew eile ist. Ab- lenkung? Fe hlanzeige. Besc häftigung? Null. Dr ei Bespaßungsoptionen haben die Eltern damals auf Lager: „Räum’ dein Zimmer auf“, „Mal’ wa s Sc hönes“ und „Mac h’ ein Puzzle“. Angesic hts der Au sw ahl fiel die Entsc heidung nie wirklic h sc hw er . Au fräumen? Niemals. Malen? Nic ht sc hon wieder! Und Sc hloss Neusc hw anstein im Herbstlaub vo r blauw eißem Riesenhimmel in 15 00 winzigen Pa ppteilen neu erbauen? Nein dank e – dann doc h lieber langw eilen. Sc hon ko misc h, wie sic h das Leben seitdem ve ränder t hat. In Zeiten vo n 300 Fe rnsehpr ogrammen und WLAN bis aufs Bahnhofsklo sehnt sic h das gealter te Ic h manc hmal nac h diesem ve rt rauten Gefühl der wo hlig-trägen Langew ei- le. Die ungeliebten Zeitv er tr eibe vo n damals ersc heinen plötzlic h wie Zau- ber wa ff en im Kampf gegen den digitalen Dauerbesc huss und die Ablenkungen der Überflussgesellsc haft. Oder ist es etw a ein Zufall, dass Malbüc her für Er- wa ch sene seit neuestem ganze Buc hhandlungsr egale ve rstopfen und Entrümpelungs-Metho- den, egal ob sie „Declutte- ring“, „Simplify“ oder „F eng Shui“ heißen, zu den Zugpfer den der Ac ht- samk eitsbew egung gew or den sind? Alle We lt malt aus, alle We lt räumt auf – aber we r um alles in der We lt puz- zelt eigentlic h noc h? Die Spur ensuc he zum „In- ternationalen Puzzletag“, der am Montag (v on we m auc h im- mer) gefeier t wir d, beginnt in der Spiel wa re nabteilung der ör tlic hen Gr oßdr ogerie. Die Mitarbeiterin we ist den We g zum Puzzler egal. Die Au sw ahl ist gr oß. Gr elle Stadtansic hten vo n Manhattan in 10 00, ro sa Ballons, die in den sepiage- färbten Himmel vo r dem Eif- felturm steigen in 15 00 oder halbnac kte Fr auen- we sen auf Einhörnern mit Glitzerflügeln in 20 00 Te ilen. Das wir d ge- kauft? „J o-ah“, sagt die Ve rkäuferin ein we nig zögerlic h. „Sc hon. Puzzles sind jetzt nic ht mega-ange- sagt, aber ein bissc hen wa s geht immer .“ Wa s das wo hl heißt in Zeiten vo n Lego Star Wa rs, ko sten- losen Smar tphone-Spielen und interakti ve n Mega- Ko nsolen? Hat es das gute alte Puzzle da nic ht unh eimlic h sc hw er , sic h aus der Spie- ßer ec ke zu stemmen? „Nein, nein“, widerspric ht die Pr essedame des Ve rbands der Deut- sc hen Spiel- zeugindustrie fr eundlic h aber bestimmt, „Puzzles sind sehr beliebt“, ve rsic her t sie. Ge na ue Ve r- kaufszahlen in Münc hen im Inter view mit dem Puz- zle-Blogger To bias Fr aunholz. Ko nzentration? Das brauc ht der selbst ernannte Puzzlekönig vo n Stegaurac h in Fr ank en sc hon lange nic ht mehr . Nac h zwölf Ja hr en als Dauerfitzler hat Pe ter Sc huber t einen Blic k für das passende Stüc k entwic ke lt. „Inzwi- sc hen kann ic h neben dem Puzzeln sogar fernsc hauen“, sagt er . Das TV -Pr o- gramm muss der gelernte Sc hlosser in- und aus we ndig ke nnen. Denn seit zw ei Monaten sitzt der Mann, der zuv or sc hon die sieben größten Puzzle der We lt geknac kt hat, an seinem Ac hten. 48 000 Te ile hat das neueste Rek or dbild und ausnahms we ise stammt es einmal nic ht vo n den bekannten eur opäisc hen Puzzle-Marktführ ern Ra ve nsbur ger oder Educa aus Spanien. Insgesamt fünf Monate hat Pe ter Sc huber t für sein neu- estes Pr ojekt ve ransc hlagt. Ander e ma- ch en in der Zeit eine We ltr eise. Er in ge- wisser We ise auc h, denn „W eltr eise“ ist der Ti tel des neuesten Riesenbilds, bei dem am Ende ac ht ve rsc hiedene Moti ve aus der ganzen We lt zu einem Gesamt- bild zusammengesetzt we rd en. Pe ter Sc huber t ist ein Spätberufener . „Als Kind fand ic h puzzeln langw ei- lig“, erinner t er sic h. Vo r zwölf Ja hr en hat ihn das Fi eber dann gepac kt. We nn er an einem seiner Mammut- puzzle sitzt, ist der Mann für die We lt ve rlor en. Monatelang ar- beitet er we rktags vier bis fünf Stunden, „am Wo ch enende we r- den es zwölf bis 14 Stunden pr o Ta g.“ Fa milie, Fr eunde und Lebens- gefähr tin bek ommen den Puzzlekönig dann nur selten zu Gesic ht. „Danac h mac he ic h wieder ein paar Monate Pa u- se“, erklär t Pe ter Sc huber t. Wa s er mit den Riesenteilen, für der en Zusammen- bau er manc hmal in Tu rnhallen oder Ve re insheime aus we ic hen muss, dann mac ht? Pe ter Sc huber t klebt nic ht am gr oßen Ganzen: „W enn das Ding fer tig ist, ist der Kic k we g. Dann kann ic h es auc h wi eder klein mac hen“, sagt er . We nn Pe ter Sc huber t seine Wo hnung für ein Puzzlepr ojekt manc hmal monate- lang kaum ve rlässt, mögen ihn manc he Leute vielleic ht für einen spießigen Langw eiler halten. Sc huber t ist das egal. Für ihn hat das Puzzeln sogar eine hei- lende Ko mponente: „W enn man ein Pr oblem hat, dann geht es einem nic ht aus dem Ko pf. Man wälzt es hin und her und dabei wir d es größer und größer . Beim Puzzeln passier t das Gegenteil. Man ist abgelenkt, aufs Spiel ko nzen- trier t und das Pr oblem wir d kleiner und kleiner , bis es ir gend wa nn gelöst ist.“ Angesic hts solc h gr oßar tiger Therapie- ef fekte könnte das Spießerimage des Puzzles vielleic ht wirklic h bald der Ve rg angenheit angehör en. Die Sterne stehen günstig. Ac htsamk eit wa r das Modew or t des zu Ende gehenden Ja hr- zehnts. Au smalbüc her und Entrümpe- lungsratgeber sind seine Botsc hafter . Doc h währ end der Ac htsamk eitszug lang- sam den Bahnhof ve rlässt, steht sc hon ein neuer ber eit. „Resilienz“, psyc hisc he Wi derstandsfähigk eit – ist gerade in aller Munde. Sie lehr t, aus Kri- sen zu lernen und gestärkt aus ihnen her vo rzugehen. Wa s da s mit dem Puz zel n zu tu n hat ? Je der , d er sc hon mal übe r ei ne ga nze Stun de la ng mit ei- nem Pu zzl ete il in der Hand und „das -m us s-doc h- hie r ir ge nd wo -hi npas - sen “-m ur melnd da saß oh ne den Bet tel hi nzu sc hmei ßen , der we iß : Fü r jed es Pr oblem gi bt es eine L ösu ng. Man mu ss nur lange gen ug da na ch suc hen . Noc h ein Fa kt or kön nt e di e Wi ed er ge bur t de s Puzz le s au s der pap pst aubi- ge n Spi eßer asc he beg ünsti ge n: de r Klima wa nde l! We nn der u n- ser en Br eit en demn äc hst nebe n hö he- re n Te mp er atu re n auc h deut li ch mehr Ni ede rsc hl äge be sc her t, dan n he rrsc ht es wie der : da s pe rfekt e Pu zz lew e tt er . Sib yll e Kra ni ch könne sie leider ke ine nennen, denn die wür den vo m Ve rband sc hon seit Ja hr en nic ht mehr gesonder t erhoben. Nic hts- destotr otz jubelt die pr ompt gemailte neueste Ve rbandsv erlautbarung zur bald beginnenden Spiel wa re nmesse in Nürnber g: „Der Umsatz vo n Spielen und Puzzles wäc hst we i- ter .“ Darunter: „Der Absatz vo n klassisc hen Fa mi- lienspielen und Puzzles legte in den ersten zw ei Te rt ialen im Ve r- gleic h zum Vo rjahr eszeitraum um rund zehn Pr ozent zu.“ Au ch beim eur opa we it führ enden Her- steller Ra ve nsbur ger gibt man sic h eher geheimnisv oll. „Bitte haben Sie Ve rständ- nis, dass wir ke ine Ve rkaufszahlen he- rausgeben können“, sagt die Pr essefrau. „Puzzles gehör en bei uns im Haus seit 1960 zu den we sentlic hen Wa re ngruppen und we rd en millionenfac h international, aber auc h in Deutsc hland, ve rkauft.“ Ve rkaufssc hlager wür de man wo hl euphorisc her besc hr eiben, aber alles in allem ist das Spiel, das Wi kipedia als „klassisc hes Gedulds- und Legespiel“ be- sc hr eibt, ja auc h uralt. 1767 entwic ke lt der Engländer Jo hn Spillbur y die erste Idee dazu. Um Sc hülern die Geografie ih- re r Heimat näherzubringen, klebt der ge- lernte Ku pferstec her eine Landkar te auf ein Holzbr ett und sägt die 39 Grafsc haften mit der Laubsäge (englisc h: Jigsa w – daher die englisc he Bezeic hnung „Jigsa w Puzzle“) aus. Als „Lehrmittel zur Erleic hterung des Er dkundeun- terric hts“ will Spillbur y sein Lege- spiel ve rstanden wissen. Aber der Spiel- trieb seiner Zeitgenossen ist sc hnell ge- we ck t. Ein paar Ja hrzehnte später wa gen sic h findige Unternehmer an eine We iter- entwic klung des Pr ototyps und erfinden Puzzleteile, die nic ht mehr nur nebenei- nander gelegt, sondern auc h miteinander ve rzahnt we rd en. Die Industrialisierung steht vo r der Tür und die Massenpr oduk- tion lässt nic ht lange auf sic h wa rt en. Nic hts leic hter , als ein Bildmoti v auf Pa p- pe hunder tfac h zu ve rv ielfältigen und an- hand einer Stanze in viele kleine Stüc kc hen zu zer teilen. Der ko m- merzielle Erf olg bleibt nic ht aus. Gr oße und kleine Puzzles we rd en gedruc kt, leic hte und sc hw er e, mit Moti ve n für Gr oße und Kleine. Queen Vi ctoria höc hstselbst soll zu Hoc h- zeiten der Puzzlemanie ein gr o- ßer Fa n gew esen sein und der fran- zösisc he Au tor Geor ge Péréc widmet dem Prinzip , nac hdem sic h aus kleinen Te ilstü- cke n sc hließlic h ein gr oßes Ganzes er gibt, einen eigenen Roman. In „Das Leben: Ge- brauc hsanw eisung“ zerlegt er die Be- sc hr eibungen des Lebens in einem Pa riser Wo hnhaus in kleine Stüc ke , die sic h der Leser selbst wieder zusammensetzen muss. Ein literarisc hes Denkmal für das Puzzle also. Hübsc h harmlos, in jeder Hinsic ht un- bedenklic h und vielleic ht deshalb so be- liebt ist der Zeitv er tr eib . Sein pädagogi- sc her Nutzen liegt auf der Hand. Psyc hologen und Pädagogen be- sc heinigen dem Spiel einen hohen Lernef fekt. Es stac hele den Ehr- geiz des Spielers an und lehr e, dass Geduld und Har tnäc kig- ke it am Ende zum Ziel führ en. „A uc h die Ko nzentrationsfähig- ke it und die Motorik we rd en ge- sc hult“, er gänzt der Pädagoge Ulric h Heimlic h vo n der Lud wig-Maximilians- Uni ve rsität Puzzle – ein unterschätzter Klassiker Die We lt in 10 00 Stücken
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